Øsel

Diejenigen, die auch meine Bücher kennen oder regelmäßig die Sendungen mit Martin Rütter verfolgen, wissen dass Øsel mein Hund ist. Er kommt aus dem Tierheim und ist jetzt seit 6 Jahren bei mir. Über seine genaue Herkunft, oder sein Alter, ist nichts bekannt. Meine Tierärztin schätzte ihn damals auf ca. 3-4 Jahre. Demnach wäre er heute zwischen 9 und 10 Jahre alt. Ich persönlich denke aber, dass Øsel schon ein paar Jährchen mehr auf dem Buckel hat. Er sieht und hört nicht mehr sehr gut, sein Schnäuzchen wird immer dünner und die zahlreichen grauen Haare sieht man nur deshalb nicht, weil Øsel ein weißes Fell hat. (Wenn man seinen Kopf allerdings schräg im Licht betrachtet, kann man die grauen von den weißen Haaren sehr gut unterscheiden.) Auch seine Zähne sind in den letzten zwei Jahren viel schlechter geworden und er ist lange nicht mehr so agil. Sein Leben besteht aus Knubbeln, Fressen, Schlafen, Spazierengehen, Schlafen, Spazierengehen, Kochen, Fressen, Schlafen, Pipimachen, Knubbeln, Schlafen – und dann fängt am nächsten morgen alles wieder von vorne an. Mittlerweile schläft er selbst ein, während er mir zusieht, wie ich zu kochen versuche (die Betonung liegt auf „versuchen“) — eines seiner absoluten Tages-High-Lights, weil beim Kochen immer etwas auf den Boden fällt. Ein weiteres High-Light sind natürlich die Spaziergänge. Zweimal täglich 40 Minuten, außer wenn’s regnet, dann schaffen wir die Strecke (3.5 Km) auch in 30 Minuten. Aber da ich aus Zucker bin, muss dann eh meistens Theo dran glauben und geht mit Øsel Gassi. Øsel interessiert es auch nicht, ob es draußen in Strömen regnet oder der Wind so kräftigt bläst, dass wir schon überlegt haben, ob wir ihm nicht besser eine Gewichtsweste anziehen. Wenn’s ums Laufen geht, macht Øsel immer noch Sprünge wie ein Wallaby! Ansonsten ist es allerdings schon fast erschreckend, wie tief er in letzter Zeit schläft. Selbst die Klingel hört er nicht mehr.

Nordwijk 11.01.2014-5eUnd dann ist da noch der Husten. Eigentlich hat Øsel den schon immer. Ein- zweimal am Tag hustet er. Jedenfalls was das so bis Mitte Dezember, wo sich der Husten plötzlich mehrte. Komischerweise passieren unangenehme Dinge meist an den Wochenenden. Mein PC hat z.B. noch nie unter der Woche gestreikt und die Spülmaschine auch nicht. Bevor ich montagsmorgen mit Øsel zu meiner Tierärztin fahren konnte, fing er früh am Sonntagmorgen plötzlich so stark zu husten an, dass wir mit ihm zur Notfallklink fuhren. Außerdem spuckte er beim Husten nun Wasser, was bedeutete, er hatte Wasser auf der Lunge. Unterwegs dachte ich einen Moment schon, das war‘s, als seine Zunge blau wurde und er kaum noch Luft bekam, aber in der Klinik beruhigte er sich wieder. Eine Röntgenaufnahme bestätigte, was ich schon vermutete. Øsel hatte eine Lungenentzündung, wahrscheinlich hervorgerufen durch einen Infekt. Er bekam ein Diuretikum und Antibiotika und wir erhielten die Anordnung, vorerst keine längeren Spaziergänge mehr mit Øsel zu machen. Sonntagsnachmittags war Øsel, zumindest äußerlich, wieder top fit und verstand natürlich gar nicht, warum seine Spaziergänge gestrichen wurden. Montags fuhr ich mit ihm erneut zur Tierklinik und es wurden ein EKG und eine Ultraschalluntersuchung gemacht. Dabei kam heraus, dass Øsels linke Herzklappe nicht mehr richtig schließt. Allerdings scheint er dies ganz gut zu kompensieren und darum braucht er dafür auch keine Medikamente.

Die Lungenentzündung ist mittlerweile auch wieder abgeklungen, nur der Husten ist geblieben. Also habe ich nun eine Bronchoskopie und ein Thorax-CT machen  lassen. Øsel hat eine genetische bedingte Verengung des Rachens und der Luftröhre, außerdem weist seine Lunge vernarbtes Gewebe auf, wodurch er natürlich sowieso schon schlechter atmen kann. Dies könnte auch sein Husten erklären. Woher der Lungenschaden stammt, keine Ahnung. Vielleicht waren seine Vorbesitzer Kettenraucher und er hat schon als Welpe nur Nikotinluft geatmet. Ich weiß nicht, ob diese These überhaupt haltbar ist, aber wenn Nikotinrauch Kleinkindern schadet, warum dann nicht auch kleinen Hunden? Dass sein Herz ein bisschen schwach ist, hatte mir meine Tierärztin damals gleich gesagt, als ich ihn das erste Mal zu ihr brachte und sie ihn abhörte. Jedenfalls ist Øsel dadurch natürlich auch nicht so widerstandsfähig gegen Infektionskrankheiten und natürlich würde mich interessieren, wo er sich diese eingefangen haben könnte. Er kommt immer nur in Kontakt mit denselben Hunden und läuft eigentlich auch immer nur zweimal am Tag dieselbe Runde. Øsel ist ein ausgesprochenes Gewohnheitstier und mag Veränderungen überhaupt nicht. Er frisst auch keinen Müll, den er auf der Straße findet, aber natürlich schnuppert er, wie jeder gute Hund, am Urin und Kot von Artgenossen. Das mit dem Müll ist hier in Millingen allerdings schon mehr als peinlich. Wir wohnen an einem Feldweg und die Runde die ich mit Øsel laufe führt nur über Feldwege, die nur von Anwohnern und Spaziergängern genutzt werden. Trotzdem gleichen die Wegränder eher einer Mülldeponie! Von Bierflaschen und Getränkedosen über unzählige benutzte Papiertaschentücher, Plastikverpackungen, selbst Slip-Einlagen und natürlich die Kippen aus Autoaschenbechern, nebst leeren Zigarettenpäckchen — alles ist dort zu finden. Außerdem haben einige unserer Nachbarn hier scheinbar noch nie von der braunen Tonne gehört und entsorgen auch ihre Essensreste und sogar Schlachtabfälle, wie Geflügelinnereien, einfach auf dem Feld neben ihrem Haus. Die Stadtverwaltung oder das Ordnungsamt interessiert das alles nicht. Auch nicht, wenn die Wege mal wieder unpassierbar sind, weil irgendein Landwirt vergessen hat, den Hahn an seinem Tankwagen mit Jauche zuzudrehen. Etwas, dass hier ebenfalls regelmäßig der Fall ist. Man kann dann nur hoffen, dass es baldmöglichst heftig regnet und die Wege danach zumindest wieder einigermaßen passierbar sind. Und ohne Gummistiefel geht hier eh nichts! Entsprechend sieht natürlich auch Øsel nach einem Spaziergang immer aus und muss zweimal täglich gründlich gewaschen werden.

Mittlerweile laufen wir wieder zweimal am Tag seine Runde mit ihm. Allerdings hetze ich Øsel nicht mehr wenn‘s regnet oder kürze die Runde dann auch ab, weil ich nicht will, dass Øsel es eventuell kalt bekommt. Wo die Infektion nun genau herrührte bleibt ebenso unklar, wie die Ursache für seinen Lungenschaden. Der Herzklappenfehler hingegen ist wohl angeboren.

Nordwijk 11.01.2014-3bAls ich nun mit ihm nochmals in der Tierklinik war, um das CT und die Bronchoskopie machen zu lassen, bekam er natürlich als erstes ein Narkosemittel gespritzt. Ich hatte vorsorglich eine Wolldecke mitgebracht und wurde dann mit ihm in ein spezielles Wartezimmer geschickt, wo nur Hunde lagen, die wie Øsel gerade erst eine Narkose verabreicht gekommen hatten. Das „Schlaf-Zimmer“ war jedoch schon voll und auf dem Steinboden lagen einige, teilweise sehr große Hunde, die später auch eigens mit einer fahrbaren Tier-Krankenbahre abgeholt wurde. Das alles ging relativ zügig und das Personal in dieser Klinik ist wirklich gut eingespielt und ich halte auch die Tierärzte dort für kompetent — jedenfalls die, mit denen ich zu tun hatte. Also setzte ich mich mit Øsel in den Flur auf den Boden auf seine Decke. Zwar hatte man mir beim Eintreffen als erstes ein Infoblatt in die Hand gedrückt, dass mich über die Narkose und eventuelle Komplikationen aufklären sollte und darauf stand auch, dass man dafür sorgen sollte, dass der Hund es während der Zeit der Narkose warm hat, da diese auch seine Körpertemperatur senkt, doch außer mir hatte niemand der anderen Hundebesitzer eine Decke oder ähnliches dabei. Eine Frau hatte ihren kleinen Hund allerdings im Arm behalten, während die Narkose schon wirkte. Ich dachte so bei mir, dass es vielleicht sinnvoller wäre, dieses Infoblatt den Tierbesitzern zukommen zu lassen, bevor sie in die Klinik kämen, immerhin hat heutzutage fast jeder eine Emailadresse. Dann war Øsel an der Reihe und eine Tierkrankenschwester holte ihn ab. Dabei meinte sie, ich könnte ja solange irgendwohin fahren und einen Kaffee trinken, oder heimfahren. Man würde mich dann anrufen, wenn ich den Hund wieder abholen könnte. Fast wäre ich dem Mädchen daraufhin mit den Füßen zuerst ins Gesicht gesprungen. Ich fahre nirgendwohin!, schnauzte ich sie an. Bei meiner Tierärztin bin ich gewohnt, dass ich immer dabei sein darf, egal ob Øsel nun bloß geimpft wird oder sie ihm die Zähne sauber macht. Selbst als Øsel vor ein paar Jahren kastriert werde musste, durfte ich bei ihm bleiben. Außerdem hatte ich mit Øsels behandelndem Arzt in der Klinik ebenfalls vereinbart, dass er mich zu der Bronchoskopie dazu rufen würde. Anscheinend haben jedoch nicht viele Tierbesitzer ein Interesse daran bei der Behandlung dabei zu sein. Aber vielleicht kann das auch nicht jeder, gerade wenn es darum geht zuzusehen, wie einem Tier beispielsweise der Bauch aufgeschnitten wird. Für mich hingegen wäre es Tausendmal schlimmer nicht dabei sein zu dürfen. Ich bin nämlich der festen Überzeugung, dass ein Tier (und ein Mensch wahrscheinlich auch) auch in Narkose, trotzdem noch unbewusst oder intuitiv fühlt oder wahrnimmt, dass eine ihm nahestehende Person anwesend ist. So halte ich z.B. dann auch immer eine von Øsels Pfoten. Für mich war es wichtig bei der Bronchoskopie dabei zu sein und am liebsten wäre ich noch zusammen mit Øsel in die Röhre des CT-Gerätes gekrochen. Aber ich bin froh, dass der Arzt sich anschließend alle Aufnahmen des CTs mit mir zusammen angesehen hat.

Øsels Zustand wird sich wohl mit zunehmendem Alter weiter verschlechtern. Ich denke, ich würde ihm jedoch nie Kortison geben. Lieber am Ende noch 6 gute, als 12 schlechte Monate! Und was das Spazierengehen angeht, so würde Øsel einen Mord dafür begehen, also laufen wir wieder und wenn er irgendwann die 3.5 Km nicht mehr schafft dann kürzen wir die Strecke ein Stückchen. Aber im Moment will er sie einfach laufen — morgens und abends noch einmal, auch wenn er danach zu Hause erst mal ein paar Stunden tief und fest schlafen muss. Ich denke, es ist gut, dass er seine Lunge trainiert und das tut er nun mal beim Laufen. Auch schimpfe ich nicht mehr mit ihm, wenn er morgens im Garten die Tauben verbellt. Beim Bellen muss er nämlich tief Luft holen und ich denke, auch dass ist gut, um die Lungenkapazität zu verbessern oder jedenfalls eine Verschlechterung so lange wie möglich hinauszuzögern.

Nordwijk 11.01.2014-1aAm vergangenen Wochenende waren Theo und ich zudem mit Øsel in Holland an der Nordsee. Seeluft wirkt ja bekanntlich Wunder! Øsel liebt es über den Strand zu rennen und das Meer hat anscheinend nicht nur eine besondere Wirkung auf Menschen. Was mich dabei jedes Mal wieder aufs Neue fasziniert, wie gut sich alle Hunde dort am Strand vertragen. Ob groß oder klein, alle laufen sie frei und ohne Leine und nirgendwo gibt es Gezanke oder Streitereien!

Und noch etwas möchte ich erzählen. Natürlich war ich zwischenzeitlich auch bei meiner Haus-Tierärztin. Zwei Meinungen sind bekanntlich immer besser als eine, zumindest wenn es um Fachmeinungen geht. Øsel kennt die Praxis natürlich und entsprechend nervös ist er dort immer. Nun saß im Wartezimmer diesmal jedoch eine Frau die einen Einkaufskorb aus geflochtenem Bast dabei hatte. Øsel schnupperte an dem Korb, in dem ich vielleicht ein Kaninchen oder Meerscheinchen vermutet hätte. Schließlich fragte ich Frau, was sie denn da unter dem Handtuch im Korb habe und sie zeigte mir einen kleinen Igel, der zusammengerollt unter dem Handtuch lag. Auch Øsel hatte den Igel nun gesehen und vergaß darüber vollkommen, dass er ja eigentlich nervös hätte sein sollen. Øsel ist anderen Tierarten gegenüber immer schon extrem neugierig gewesen, auch seine vermeintliche Katzenaversion hat sich letztendlich als nichts anderes als pure Neugierde herausgestellt. Schafft er es nämlich tatsächlich einen Katze mal in die Enge zu treiben (so geschehen vor 3 oder 4 Jahren) dann setzt er sich vor die Katze und wedelt wie wild mit dem Schwanz — aber ohne ihr etwas zu tun. Und vor ein paar Jahren hat Øsel auch mal beim Spaziergang eine kleine Drossel gefunden, die wahrscheinlich aus dem Nest gefallen war und die ich selbst auch nie entdeckt hätte. Theo und ich nahmen den kleinen Vogel mit nach Hause, der eine leichte Verletzung am Kopf hatte und ich fuhr sofort mit ihm zu meiner Tierärztin. Sie erklärte mir, wie ich versuchen könnte, den Vogel mit der Hand aufzuziehen und jedes Mal wenn ich den Kleinen dann mit Regenwürmern fütterte oder ihm mit einer Spritze Wasser gab, saß Øsel mit seiner dicken Nase dabei. Er ließ sich auch nicht nehmen den Igel zu beschnuppern und irgendwie hatte die Besitzerin des Igels auch begriffen, dass Øsel dem Kleinen nichts tun würde. Der Igel rollte sich daraufhin auseinander und beschnupperte seinerseits Øsel. Darüber vergaß Øsel dann wo er sich befand — jedenfalls bis dass wir in die Praxis gerufen wurden. Weil es beim Abhorchen jedoch wichtig ist, dass man Ruhe hat und Øsel vor Aufregung wieder piepste, ging die Tierarzthelferin ins Wartezimmer und lieh sich den Korb mit dem Igel. Sie hatte zuvor mitbekommen, wie Øsel und der Igel sich beschnuppert hatten. Während Øsel dann wieder den Kopf ins das Körbchen zu dem Igel steckte und daraufhin glatt wieder vergaß, wo er sich befand, konnte meine Tierärztin ihn in aller Seelenruhe abhorchen.

Titelfoto & Post (Blog) Fotos: Copyright by Kristine Weitzels

 

 

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